Senioren knüpfen ihr Netzwerk
Senioren knüpfen ihr Netzwerk
Von Elisabeth Maier - Esslinger Zeitung vom 2.8.2007 - In der Waschküche feiert die Hausgemeinschaft der Helene-Lange-Straße 37 und 39 jedes Jahr einen Neujahrsempfang. „Auf den Waschmaschinen bauen wir unser Buffet auf“, sagt Claus Sendler schmunzelnd. Als der 72-jährige vor mehr als fünf Jahren mit seiner Frau Elke in die barrierefreie Wohnung im Scharnhauser Park einzog, wünschte er sich eine gute Hausgemeinschaft. „Wir haben ein Netzwerk geknüpft“, freut sich der Rentner.
Die jungen Hausbewohner feiern gerne mit den älteren in der Waschküche, die sich zunehmend zum Treffpunkt mausert. So lernt man sich kennen. Auch ausländische Familien machen da gerne mit. Jeder bringt Spezialitäten aus seinem Land mit. „Natürlich wird alles schön dekoriert“, verrät Pia Balle(76). In der Grünanlage vor den beiden Häusern steht eine Schneckensammlerin aus Holz. Das Kunstwerk hat die Hausgemeinschaft nach dem Ende der Landesgartenschau gekauft, als es auf dem Gelände nicht mehr gebraucht wurde. „Alle haben etwas dazu beigetragen“, freut sich Elke Sendler (70). Die Skulptur, die alle Hausbewohner auf den Namen Helene getauft haben, ist für die rührigen Senioren zu einem Sinnbild ihrer vielen Aktivitäten geworden.
Als der 75-jährige Ulrich Viefhaus mit seiner Frau Erika (68) das Eigenheim in Neuhausen verkaufte und in den neuen Ostfilderner Stadtteil zog, war er zunächst etwas unsicher. „Wir waren in der Dorfgemeinschaft sehr aktiv“, sagte der ehemalige SPD-Gemeinderat. Umso mehr freute es ihn, als ihm die Einladung von Claus Sendler ins Haus flatterte.
Das ging auch Sonja und Jürgen Wörtmann so. Die Seniorengruppe war sich schnell einig,dass sie schon bei der Planung des Hauses ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollte. Auf ihre Initiative hin hat der Bauträger zum Beispiel einen barrierefreien Aufgang möglich gemacht.
Wichtig war den „Altenknüpfern“, wie Viefhaus die besondere Wohngemeinschaft liebevoll nennt, aber ganz besonders der Aspekt Nachbarschaftshilfe. „Das ist auch ein Stück Lebensqualität“, findet Sonja Wörtmann. Eine russische Hausbewohnerin gibt schon mal Nachhilfe, wenn jemand im Haus nach Moskau reisen will. Und Pia Balle hilft einem türkischen Jungen bei den Hausaufgaben.
Ulrich Viefhaus sieht viele Möglichkeiten, wie man einander in einer Hausgemeinschaft helfen kann: „Das beginnt beim gemeinsamen Kauf eines Rasenmähers und geht beim Spielen mit den Kindern weiter“. Wichtig ist aus seiner Sicht, dass man den Nachbarn zuhört und sich regelmäßig austauscht.
Besonders unter den Senioren klappt diese Kommunikation sehr gut. „Wir frühstücken regelmäßig zusammen“, erzählt Elke Sendler. Bei solchen Treffen genießt es die 70-Jährige, Gastgeberin zu sein. „Nur schade, dass wir nicht mehr Leute setzen können.“ Dann wird im Wohnzimmer über die neuesten Entwicklungen im Haus geplaudert. Und die Nachbarn dürfen die selbst gemachte Marmelade probieren. In diesem Kreis sind schon viele gute Ideen entstanden – zum Beispiel für ein gemeinsames Fest oder für einen Ausflug.
Aber oft geht es auch um ernste Themen, die das Haus betreffen. Über anstehende Reparaturen oder über die Gartengestaltung diskutiert die Hausgemeinschaft oft. Und mit politischen Themen beschäftigen sich die „Altenknüpfer“ ebenfalls. Zurzeit beschäftigt sie das Thema Flughafenausbau. „Wenn ein Problem ansteht, ist eine gute Moderation wichtig“, findet Claus Sendler. Er fühlt sich wohl in der Rolle des Gesprächsleiters.
„Viele alte Menschen fristen ihr Alter einsam in den eigenen vier Wänden“, weiß Hans Knörzer, der mit seiner Frau Brigitte in der Helene-Lange-Straße lebt. Manche lägen sogar wochenlang tot in der Wohnung, bis sie jemand findet. Das betrachtet er als gravierendes Problem der heutigen Zeit.
Gerade in Hochhaussiedlungen passiere es sehr oft, dass die Menschen vereinsamen. Er ist froh, dass er und seine Frau im Scharnhauser Park ein anderes Wohnumfeld für den Ruhestand gefunden haben. „Bei uns ist niemand allein“, lobt er den Vorzug der generationsübergreifenden Wohngemeinschaft.
Bildunterschrift: Helene hat die Hausgemeinschaft der Helene-Lange-Straße 37 und 39 die Nacktschneckensammlerin aus Holz getauft. Die Idee, gemeinsam eine Skulptur für den Vorgarten zu kaufen, stammt von den rührigen Senioren der Wohnanlage im Scharnhauser Park.
Nachbarn sehen sich als Wohngemeinschaft