Weiter wohnen wie gewohnt?
Weiter wohnen wie gewohnt?
Samstag, 28. 11. 2009
Neue Wohnformen für die dritte Lebensphase
OSTFILDERN: Informationstag im Stadthaus zu Projekten für Gemeinschaften aus mehreren Generationen
Ab etwa dem 50. Lebensjahr kreisen die Gedanken immer wieder um die dritte Lebensphase, sagen die Mehrgenerationenhaus-Netzwerkerinnen Sonja Wörtmann und Ellen-Alexa Schwarz. Wie will ich leben, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Passt das Einfamilienhaus mit Garten noch zu mir? Etwa 120 Gäste folgten am Samstagnachmittag im Stadthaus im Scharnhauser Park gespannt den Vorträgen zu alternativen Wohnformen. Klaudia Stürmer
„Es muss alles freiwillig sein", betonte Sonja Wörtmann. Sie ist aktiv in einer Seniorengruppe mit elf Mitgliedern zwischen 60 und 75 Jahren. Die sind alle der Meinung, dass die gegenseitige nachbarschaftliche Hilfe ein wesentlicher Bestandteil von Lebensqualität ist. Einmal im Monat treffen sie sich zum Frühstück im Wohnzimmer. „Unsere Witwe im Haus legt jeden Morgen einen Stein vor die Tür ihres Nachbarn, wenn sie die Zeitung holt. Sollte der Stein bis 11 Uhr nicht dort liegen, wird nach ihr geschaut". Einmal in der Woche ist Treffpunkt in der Garage, für diejenigen, die mit zum Schwimmbad möchten. Wörtmann beschrieb den Alltag im Haus, in dem zwar jeder in seiner eigenen Wohnung lebt, aber in dem sich niemand allein oder einsam fühlen muss. Ellen-Alexa Schwarz vom Verein Wohnen in Gemeinschaft (WoGe) in Esslingen zieht gerade mit ihren Mitbewohnern in den „Olgahof" in Esslingen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis aus der Idee einer Gruppe der Lokalen Agenda Wirklichkeit geworden ist. Die lange, intensive Suche nach dem geeigneten Grundstück mündete zuletzt in der Zusammenarbeit mit einem Bauträger. Gemeinsam planten die fünf Parteien ihr Wunschhaus. Barrierefreiheit und Gemeinschaftsräume waren neben ökologischen Baugrundsätzen die Bedingungen der Hausbesitzer.
Plädoyer für soziale Stadtentwicklung
Rainer Böttcher von der Baugenossenschaft Esslingen stellte das Projekt Mehr-Generationen-Wohnen Zollberg vor. Hier können, im Unterschied zu der Gemeinschaft im „Olgahof" die Wohnungen gemietet werden. Die Baugenossenschaft leistet sich für die künftigen Bewohner der 41 barrierefreien Wohnungen in vier Gebäuden eine Fachkraft, die das Sozialmanagement für die Hausgemeinschaft übernehmen soll. Dazu gibt es in dem Haus einen Gemeinschaftsraum, den auch andere Menschen aus dem Stadtteil nutzen können. In den Kinderschuhen steckt noch das Angebot einer Nellinger Firma. In diesem Mehrfamilienhausprojekt mit Wohnungen zwischen 30 und 80 Quadratmetern ist eine Wohnung vorgesehen, in der bei Bedarf eine Pflegekraft wohnen kann.
Nach der Vorstellung der vier Projekte plädierte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, für eine soziale Stadtentwicklung. Daran führe kein Weg vorbei angesichts der Krisen, mit denen die Menschen sich auseinandersetzen müssten. Energie-, Finanz- und Klimakrise nannte er als die drei elementaren Herausforderungen an die Weltgemeinschaft. Für Conradi sind Wohnformen immer geprägt von den individuellen Bedürfnissen der Nutzer. Der Staat müsse so stark bleiben, dass er diese Bedürfnisse unterstützen kann. Conradi lobte die Stadt Ostfildern für ihren Altenhilfeplan.
In der Podiumsdiskussion stellten sich Oberbürgermeister Christoph Bolay, Michaela Ebert als Bauherrin, Achim Gaisbauer als Bauträger, Inge Hafner von der Altenhilfefachberatung des Landkreises, der Architekt Olaf Hübner und Barbara Hurle von der Wohnberatung Ostfildern den Fragen des Publikums.
Artikel vom 30.11.2009 (c) Eßlinger Zeitung